Content? Inspiration ist King!
Kaum ein Vorgang unseres täglichen Lebens hat sich in den vergangenen 200 Jahren so sehr verändert wie unser Einkaufsverhalten.
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Die Geschichte des Einkaufserlebnisses
Inhaltsverzeichnis
Noch im 18. Jahrhundert gingen Kunden einkaufen, um einzukaufen. Das klingt erst einmal banal, aber das war der Vorgang an sich auch. Man hatte das Bedürfnis nach einem ganz bestimmten Produkt, beispielsweise einem Liter Milch oder einem Stück Butter. Also betrat man das nächstgelegene Geschäft – häufig noch unter dem Namen Kolonialwarenhandel bekannt –, bat die Verkäuferin – nennen wir sie traditionell Tante Emma – um das gewünschte Produkt, zahlte und verließ das Geschäft wieder.
Vom Verkäufer zum Ideengeber – Wie Händler Inspiration als Verkaufshilfe nutzen können
Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnet in den USA der erste Selbstbedienungsladen mit dem Ziel, den Kunden im Geschäft unabhängiger zu machen. Preisschilder an den Verkaufsobjekten verhindern das ständige Nachfragen beim Verkäufer, Umkleidekabinen können selbstständig betreten und genutzt werden, Hinweisschilder führen durch den Markt. Der Trend nach Einkaufsautonomie schwappt auch nach Europa. In Paris eröffnen die ersten „Kaufhäuser“ mit breitem Warensortiment, großen Verkaufsflächen, Musik wird abgespielt, Schaufenster sollen den Kunden inspirieren und hereinlotsen. Der Kunde soll nicht nur ein spezifisches Produkt kaufen, sondern sich auch weiter umschauen. Das klassische Marketing ist geboren.
Das Bild in den Innenstädten wird nach und nach geprägt durch Plakate, Aufsteller und Litfaßsäulen, die gezielt Produkte bewerben. Und eben auch Produkte, von denen Kunden vorher noch gar nicht wissen, dass sie sie benötigen. Die inspirationsgetriebene Werbung wird – im Umfeld immer neuer Produktentwicklungen – für Händler zunehmend wichtiger.
Vom Produkt zum Produkterlebnis
Beispiel: Nylonstrumpfhose – 1935 erstmals von amerikanischen Forschern entwickelt, konzentrierte sich die spätere Vermarktung der Weltneuheit vor allem darauf, die Vorteile des Kleidungsstücks aufzuzeigen. Situationen, die sonst nicht mit einem Strumpfhose zu meistern waren, stellten plötzlich kein Problem mehr dar. Nach dem Motto: „Wie herrlich kann das Leben mit einer Nylonstrumpfhose sein“ luden die geschäftstüchtigen Kaufhäuser zum Probetragen ein und die Werbung schuf immer neue Ideen, in welchen Situationen Nylonstrumpfhosen unverzichtbar seien – unter anderem: als Keilriemenersatz beim Liegenbleiben auf einer verlassenen Bundesstraße.
Einkaufen wird in den nachfolgenden Jahren immer mehr zum Erlebnis. Im deutschen Sprachgebrauch bestimmt das Wort „einkaufen“ die reine Besorgung von Bedarfsartikeln, „Shopping“ hingegen wird zum Synonym für ausgiebiges Bummeln. Der Kunde will sich inspirieren und informieren lassen. Was sind die Trends der kommenden Jahreszeit? Welche Neuentwicklungen gibt es am Markt? Wie verwandle ich mein Wohnzimmer in ein Heimkino? Und der Einzelhandel reagiert darauf: IBM erfindet den Touchscreen und eröffnet die Möglichkeit von interaktiven Infoterminals. Abercrombie&Fitch schafft mit Duftspray und DJ eine unverwechselbare Einkaufsatmosphäre. MediaMärkte ziehen Jugendliche mit Playstation und Xbox-Vorführgeräten in ihren Bann. Hifi-Studios öffnen ihre Pforten.
Von „Kunde sucht Produkt“ zu „Produkt sucht Kunde“
Gleichzeitig entwickeln sich Online-Plattformen wie amazon oder ebay. Fortschrittliche Einzelhändler bieten Schritt für Schritt ihren „Produktkatalog“ auch online an. Das hat noch wenig mit dem Online-Shopping-Erlebnis von heute zu tun. Es geht um Masse statt Klasse: die Händler wollen so viele Artikel wie möglich im eigenen Online-Shop anbieten. Randthemen wie Artikelinformationen, Product Content oder ansehnliche Produkt-Fotos fallen da gerne einmal hinten runter. Man geht davon aus: der Kunde sucht ein Produkt und dieses Produkt muss man ihm im Katalog anbieten.
Nur Wenige begreifen schon Anfang der 2000er: der Konsum des Verbrauchers hängt in Zukunft nicht mehr nur davon ab, ob die Nachfrage des Verbrauchers bedient werden kann. Sondern viel eher damit, ob ein Händler zu seinem spezifischen Produkt eine Nachfrage beim Verbraucher generieren kann.
Marketer beschäftigen sich nun nicht mehr mit dem „Was sucht der Kunde?“, sondern „Was können wir dem Kunden anbieten – und vor allem wie?“. So entwickeln sich bei vielen Online-Shops neben den klassischen Produktdetailseiten auch Blogs und Magazine. Sie liefern Content zu Einsatzgebieten und Verwendung von Artikeln, zeigen Anwendungsbeispiele auf oder zeigen herrliche Vorher-Nachher-Bildergalerien.
Und das nicht nur zur Freude der SEOs, auch zur Freude der Markenverantwortlichen. Umfragen belegen, dass Marken, die erweiterten Content zu ihrem Produktsortiment anbieten durchweg positiver in Erinnerung bleiben.
Hochwertige Informationen statt hochnerviger Werbung
Beispiel: der französische Kosmetik-Riese L’Oréal. In User Researches finden die Markenverantwortlichen heraus, dass die Kunden genervt sind von reinen Werbebotschaften und aussageschwachen Plakaten. Der Konzern baut ein umfangreiches Magazin auf und bietet Kunden vielfältige Informationen, Tipps und eine Plattform zum Austausch mit Anderen. Ausgewählte Stars und Influencer berichten zudem von dem Gebrauch der Produkte aus ihrem Alltag. Ein (vor einigen Jahren zumindest noch) absolutes Alleinstellungsmerkmal, um sich am schwer umkämpften Beautyprodukt-Markt abzusetzen.
Auch interessant: 2018 veröffentlichte der Deutsche Marketingverband erstmals den „Content Marketing Monitor“ für Deutschland. Die Teilnehmer der 400 befragten Marketingverantwortlichen gaben zwar fast übereinstimmend an, dass die Bedeutung von Content Marketing zunehme, die eigene Investitionssumme für den Bereich jedoch sehr gering gehalten wird. Immerhin: Vier von fünf Befragten teilten mit, in den nächsten drei Jahren stärker in das Content-Marketing zu investieren.
Von „Content is King“ zu „Inspiration is King“
Und wer wirklich hochwertigen und inspirierenden Content liefern will, der sollte auch bereit sein, etwas dafür zu investieren. Denn der Kunde merkt schnell, ob ihm qualitative und unique Informationen geliefert werden oder ob er in einen lieblosen Verkaufskanal gelotst wird. Innovation und Inspiration werden mehr und mehr zum Treiber des digitalen Marketings – unter hohen Kundenansprüchen.
Best-Practice Beispiele für Inspiration
Für den Handwerks-Neuling bieten sich einfache Selbstbaumöbel zum Nachbauen (Baumaterial und Utensilien ganz nach dem IKEA-Prinzip). Für die inspirationshungrige Hausfrau bietet der Gartenplaner ein interaktives Tool, mit dem der eigene Garten nachmodelliert und dann ganz nach den eigenen Wünschen bebaut, bepflanzt oder mit einem Teich ausgestattet werden kann.
Das Praktische: die notwendigen Utensilien können direkt in den Warenkorb gepackt werden. Aber auch der bastelaffine Handwerker geht nicht leer aus. Auch für ihn gibt es praktische Ratgeber, wenn auch nur in Artikel- oder Videoform, zum Beispiel zum Verlegen von Estrich. Hier kann er Haus-und-Hof-Handwerker dann auch gleich den Boden-Rechner nutzen, um die Menge an benötigtem Belag errechnen zu lassen.
Fazit OBI
Mehr als ein Magazin! Hier hat sich jemand Gedanken gemacht und bietet für Jeden den passenden Content. Gerade bei den Selbstbaumöbeln und den Planer-Tools kann man eine Menge an Inspiration für das eigene Zuhause mitnehmen. Schade jedoch: an pinterest oder andere Ideen-Geber kommt OBI noch nicht heran. Dafür werden die wirklich innovativen Inhalte zu wenig über andere Kanäle wie Instagram oder Youtube ausgespielt
Seit Neuestem wartet der Hersteller sogar mit der Funktion auf, die Laufkilometer seiner Schuhe zu tracken. So erhält der Verbraucher einen nicht gerade uneigennützigen Hinweis von Nike darauf, sobald die Schuhe „abgelaufen“ sind und man sich ein neues Paar gönnen sollte.
In der Nike+ App gibt es dann sogar noch exklusiven Content mit bekannten Werbegesichtern des Sportartikelherstellers – so zum Beispiel liefern Kevin Durant, Kyrie Irving oder LeBron James in eigens für NIKE produzierten Tutorials der breitensport-affinen Zielgruppe Tipps für die besten Basketball-Moves.
Fazit NIKE
Hochwertiger Content, kostenlose Motivation und Funktionen sowie ein mit emotions-geladener Leitspruch – ein perfekt abgestimmter Mix!
Fazit HiPP
HIPP vereint hochwertige Ratgeberseiten mit hilfreichen Tools zur Planung von der Schwangerschaft bis zum Elternalltag. An der ein oder anderen Stelle sollte die Marke aufpassen, nicht übers Ziel hinauszuschießen – oder ist eine Kooperation mit der Commerzbank zu einem 0,55% p.a.-Zinsatz Babysparbuch wirklich noch im Sinne des Erfinders?