Datenbasierte Personalisierungsmöglichkeiten – an zwei Praxisbeispielen
Wer mich kennt, der weiß, dass ich neben gutem Whisky auch eine Vorliebe für leckere Weine hege. Daher gehöre ich in Köln auch zu den sogenannten “Weinbankern” und bin stolzer Besitzer eines eigenen Abteils im Winebank-Weinkeller. Dessen Fächer füllen sich jedoch nicht von selbst. Wie von Zauberhand verschwinden zwar ab und an Weine, aber das ist eine andere Geschichte 😉
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Ich bestelle bei weinfreunde.de…
Aus diesem Grund bestelle ich sehr gerne und – gemessen am Otto Normalverbraucher – wohl auch in rauen Mengen online Wein. Und hier bin relativ schnell auf das zur REWE Gruppe zählende Angebot von weinfreunde.de aufmerksam geworden. Ein ansehnlicher, gut strukturierter Online-Shop, der immer wieder mit attraktiven Gutschein-Aktionen warb, wodurch sich insbesondere bei Wein-Bestellungen der ein oder andere Euro sparen ließ.
Weinfreunde.de wirbt zudem mit einem klassischen 10€-Rabatt für Newsletter-Eintragen. Klar, ich möchte auch über Aktionen des Shops auf dem Laufenden bleiben, also habe ich mich natürlich eingetragen.
Also: Kundenkonto angelegt, für den Newsletter eingetragen, die ein oder andere Bestellung getätigt (mit klaren Präferenzen in der Produktauswahl) – Nun sollte man meinen, dass es einem Unternehmen aus der REWE Gruppe, die als einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Digitalisierung und Kundenorientierung gilt, möglich sein sollte, Learnings abzuleiten und meinen Umsatz durch geschickte Marketingmaßnahmen noch einmal deutlich steigern zu können.
Also mal reingeschaut: Von meiner ersten Bestellung im April bis Anfang Juni habe ich insgesamt 21 Newsletter per Mail erhalten. Die meisten davon habe ich direkt nach Erhalt gelöscht.
Hier mal eine grobe Übersicht der erhaltenen Newsletter mit der Kategorisierung der Weine:
- 09.04 Weißwein
- 12.04 Weißwein
- 14.04 Corona Tasting mit Freunden – Rotwein
- 17.04 Weißwein
- 20.04 Weißwein
- 22.04 Spargel + Weißwein
- 24.04 Rotwein – 6,95€
- 27.04 Weißwein
- 29.04 Primitivo – Rose
- 01.05 Weißwein
- 04.05 Weißwein
- 06.05 Versandkosten frei gesenkt
- 07.05 Primitivo Rot – 6,99€
- 08.05 Paketbox Rose + Weißwein
- 13.05 Italien Top Rotweine
- 19.05 Riesling
- 21.05 Unsere Weine – Eure Lieblinge – 1x Weißwein, 1 Rose + 2x Rotwein
- 26.05 Primitivo Rotwein
- 28.05 Primitivo Rossa
- 29.05 Ergänzung vom 21.05 mit Gratis Wein
- 02.06 Deutsche Burgunder Weine
- Vorwiegend werden mir Weißweine empfohlen; hin und wieder Rosés. Blöd nur, dass ich Rotwein-Liebhaber bin und bisher auch ausschließlich Rotweine eingekauft habe.
- Seit Mai denkt Weinfreunde.de wohl, dass ich doch jetzt nun wirklich dringend einmal wieder etwas kaufen sollte und erhöht die Frequenz an Newslettern auf mindestens zwei pro Woche. Klasse statt Masse wäre hier wohl eher angeraten gewesen.
Gekauft habe ich über diese Newsletter – wie erwähnt – nichts. Zu großen Teilen habe ich die Schreiben direkt in den Papierkorb verschoben. Aber warum ist das so und warum möchte ich darüber sprechen? Ich liebe personalisierte Werbung. Ich möchte Empfehlungen erhalten, die zu mir und meinem Käuferprofil passen. Damit macht man mich glücklich, damit regt man mich zum Kauf an.
Und das wäre technisch – sieht man sich die Details meines Kundenkontos und meine bisherigen Bestellungen an – durchaus möglich. Kurzum: In meinem Beispiel dürfte an dieser Stelle die Frage an weinfreunde.de erlaubt sein, ob es sich hier wirklich um zeitgemäßes E-Mail Marketing im Jahr 2020 handelt und ob die Nutzung von nicht-personalisierten Newslettern als Teil des Marketingmixes überhaupt zweckerfüllend ist.
Dass es auch anders geht, zeigt ein direkter Konkurrent auf dem Gebiet des feinen Traubensafts.
Zum Vergleich: vivino.com
Im April, also zu der Zeit, in der Corona medial am präsentesten war und meinerseits der Bedarf der stetigen Nachversorgung des Weinfachs am drängendsten bestand, habe ich alternativ auch den Anbieter Vivino.com genutzt.
Aufgrund meiner Bestellhistorie erhielt ich auch hier regelmäßige Mailings in Form von Newslettern. Der Unterschied jedoch: anlässlich jedes etwa zweiten Schreibens tätigte ich tatsächlich eine Bestellung. Mein Umsatz lag in diesem Monat bei knapp 300€. Keine Sorge, es wurden bisher nicht alleine Weine getrunken ;).
Aber warum konvertiere ich hier so viel stärker? Im Gegensatz zu Weinfreunde.de versendet Vivino sehr personalisierte Mailings und Produktempfehlungen, die auf meinen Geschmack hin angepasst sind. Was bei mir auch recht einfach ist. Es benötigt keine umfangreichen Big Data Tools, um aus meiner Historie herauszulesen, dass mich Rotwein aus dem Rojia Tal oder ein schwerer Primitivo Rotwein begeistern. Man könnte mein Nutzerverhalten sogar noch detaillierter herunterbrechen (bevorzugte Lage, Preisrange, Anbieter etc), aber alleine die Fokussierung auf Empfehlungen bestimmter Sorten würde schon zu mehr Umsatz führen.
Vivino geht sogar so weit, dass mir nur Weine passend zu meinen bisher bewerteten Weinen vorgeschlagen werden. (Der Gedanke dahinter ist offenbar, dass ich nur bewertete Weine auch bereits verzehrt habe – ganz klug eigentlich.) Das Ergebnis: Weinempfehlungen auf Basis meiner Geschmackspräferenzen Eiche, Schokolade, Vanille. Lead Nurturing at it’s best.
Der Personalisierungsgrad macht den Unterschied
Was sollte weinfreunde.de nun anders machen? Oder: Was können wir im Online-Marketing aus dem Vergleich lernen?
- Das wichtigste Learning, gerade im Vergleich der beiden Konkurrenten, liegt auf der Hand: Sämtliche Daten meines Nutzerverhalten sind bereits vorhanden, können ausgewertet und sollten in die Angebotsausgestaltung einfließen. Zauberwort: Personalisierung!
- Abgleich der E-Mail Adresse (wenn nicht in bestehendem CRM-System sogar als Grundfunktion integriert): Ist der Newsletter Abonnent auch gleichzeitig Bestandskunde? Können Rückschlüsse aus dem bisherigen Bestellverhalten gezogen werden? Wenn ja, dann Segmentierung – wie am Praxisbeispiel nach Weingeschmack – Rot, Weis, Rose, Prosecco, Champagner.
- Der nächste Schritt bestünde nun darin, passend zu den Segmenten entsprechende Kampagnen zu entwerfen und so standardisierte Funnels einzuführen, die mit den entsprechenden Daten gefüttert werden können.
Wichtig ist dabei, dass nicht nur wild und wahllos einzelne, voneinander abgetrennte Newsletter versendet werden, sondern die User gezielt mit einem passenden Lead Nurturing Konzept angesprochen werden. Analysiert man dann auch das Nutzerverhalten aus den ersten Mailings, lassen sich weitere Maßnahmen darauf aufbauen und beispielsweise die Frequenz der Mailings auf das Nutzerverhalten anpassen oder passende Angebote erst dann versenden, wenn der potentielle Kunde dafür bereit ist.
Du willst tiefer einsteigen? Mögliche Ansatzpunkte für eine geschickte Personalisierung habe ich anhand meiner eigenen Bestelldaten bei weinfreunde.de in einer kurzen Praxis-PDF zusammengestellt: